Nachdem Deutschland das Ziel der WHO, die Masern zu eliminieren, unterstützt und dieses Ziel auch eines der Hauptargumente für die geplante Impfpflicht ist, gibt es eine Nationale Kommission (die NAVKO), die jährlich berichtet, wie weit Deutschland auf diesem Weg bereits gekommen ist - der Report für 2018 liegt jetzt vor und enthält einige Überraschungen.

Im wesentlichen geht es bei der Elimination der Masern um zwei zu erreichende Ziele:

  • dass die Häufigkeit der pro Jahr in Deutschland angesteckten Masernfälle unter 1/1.000.000 Einwohner sinkt (das hieße in Deutschland weniger als 83 Fälle/Jahr)

  • dass die "Transmission", also die Weitergabe der Masernviren in Deutschland unterbrochen wird, also keine durchgehenden Infektionsketten mehr auftreten.

Häufigkeit der Masern

2018 wurden in Deutschland insgesamt 543 Masernfälle gemeldet, das sind deutlich weniger, als 2017. Für die Berechnung im Sinne der WHO-Ziele werden von diesen die sicher importierten Fälle abgezogen, das sind 2018 66 Fälle, und damit ergibt sich eine Häufigkeit von 5,8/1.000.000/Jahr, womit das oben genannte Ziel klar verfehlt wird. Importierte Fälle sind Masernerkrankungen, bei denen der Erkrankte sich während der gesamten so genannten "Inkubationszeit" außerhalb Deutschlands aufhielt.

Aber: von den 543 Fällen ist von der ganz überwiegenden Mehrzahl (436) der Fälle überhaupt nicht bekannt, wo die Ansteckung erfolgte, da in Deutschland die Masern zwar eine meldepflichtige Erkrankung sind, aber in der Regel weder erfasst wird, welcher Nationalität der Erkankte angehört, noch, wo er sich während der 14 Tage vor der Erkrankung aufhielt. Angesichts der von Experten - auch von der NAVKO - immer wieder betonten Tatsache, dass viele der Masernfälle in Deutschland durch Migration oder Tourismus importiert werden (Kekulé 2019, NAVKO 2019), wäre es für eine realistische Einschätzung der WHO-relevanten Inzidenz aber unerlässlich, diese Fälle (die von der Gesamtzahl der Masernerkrankungen in einem Land abgezogen werden) zuverlässig als solche zu erfassen.

NAVKO 2018 Herkunft

(NAVKO 2019)

Unterbrechung der Transmission in Deutschland

Hierzu ist wichtig zu wissen, dass es zwar insgesamt 24 unterscheidbare Masernvirustypen weltweit gibt, in den letzten Jahren die Zahl der Typen, die tatsächlich noch zirkulieren, aber kontinuierlich zurückgegangen ist auf zuletzt 2 - 3 in Deutschland relevante Virustypen.

Dies erschwert insofern die differenzierte Erfassung der Transmissionsketten, als damit das Risiko, das mehrmals pro Jahr der selbe Virustyp jeweils neu importiert wird, steigt, wodurch die Differenzierung zwischen regelmäßigen Neuimporten (die dem Erreichen der Elimination nicht im Wege stünden) und durchgehender Transmissionsketten (die eine Elimination ausschließen) wesentlich schwieriger wird.

Trotz dieser Schwierigkeiten meldet die NAVKO für 2018 den Status der Unterbrechung der Transmission an die WHO - ein erster, entscheidender Schritt auf dem Weg zur Elimination.

Politisch ist dies natürlich ein Erfolg zur Unzeit, weil er unzweideutig beweist, dass die Elimination der Masern (eines der Hauptargumente der Impfpflicht-Protagonisten) auch ohne Impfpflicht erreichbar ist.... festgestellt durch eine Kommission des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) selbst.

Und die angeblich so schlechten Durchimpfungsraten?

Auch dazu äußert sich die NAVKO eindeutig und auch hier passt diese hochoffizielle Einschätzung nicht in politische Konzept des BMG:

Results from national school entrance examinations of 4-7 year old children in 2017 (n=649,847; most recent data) suggest that MCV vaccination coverage is adequate but not increasing any more. (NAVKO 2019)

Die von allen Seiten fälschlich gescholtenen Durchimpfungsraten der Masernimpfung in Deutschland sind aus der Sicht der Fachleute also adequate (zu deutsch: hinreichend)!

Die Masern-Surveillance in Deutschland

Das vom BMG hochstilisierte Problem der internationalen Verantwortung Deutschlands im Rahmen der Masernelimination ist nach Einschätzung der dafür zuständigen Fachleute also definitiv keines der Durchimpfungsraten, sondern primär eines der schlechten Erfassung der Masernfälle in Deutschland (so genannte surveillance). Auch hier macht die WHO klare Vorgaben und diese werden von Deutschland in wesentlichen Punkten seit Jahren konstant verfehlt:

 NAVKO 2018 Surveillance

(RKI 2019)

Hier liegen die Hausaufgaben, die Deutschland auf dem Weg zur Elimination der Masern machen muss, in übersichtlicher Form vor:

  • zeitnahe Untersuchung der Proben bei Verdacht auf Masern

  • flächendeckendes Erfassen auch der ausgeschlossenen Verdachtsfälle (Masernverdachtsfälle, die sich nicht bestätigen sind für die Einschätzung der Surveillance-Qualität entscheidend wichtig, in Deutschland aber nicht meldepflichtig; hier gibt es nur einen fraglich repräsentativen Laborverbund, der dies untersucht)

  • vor allem Erfassung der Herkunft der Masernfälle (gefordert sind 80%, Deutschland schafft das bei 20%)

  • ...

 Literatur

NAVKO. 2019. Annual status update on Measles and Rubella Elimination in Germany 2018. Abruf 16.08.2019

RKI. 2019. Epid Bulletin 32/33 2019.