• 2021 wurden von der WHO noch 6 Fälle von Kinderlähmung weltweit erfasst, die durch das eigentliche Wildvirus (WPV) ausgelöst wurden (WHO 2022).

  • Endemisch kommt die Poliomyelitis 2022 weltweit nur noch in 2 Ländern vor: in Afghanistan und Pakistan (WHO 2022).

  • In Deutschland wurde der letzte durch ein Wildvirus verursachte Fall im Jahr 1990 erfasst, 1992 gab es 2 importierte Fälle (aus Ägypten und Indien); die letzte durch die Schluckimpfung ausgelöste "Impf-Polio"/VAPP trat im Jahr 2000 auf (RKI 2013)

  • In den letzten Jahren gab es jedoch immer wieder Hinweise auf Poliofälle oder zumindest den Nachweis von Polio-Viren im Abwasser auch in der näheren Umgebung von Westeuropa:

    • Schon Ende 2012 wurde der Erreger im Abwasser der ägytpischen Hauptstadt Kairo nachgewiesen (DÄ 2013), im Herbst 2013 fand man  auch Polioviren in der Kanalisation von Jerusalem (ECDC 2013) - hier sind Polio-Wildviren in einer hochprozentig geimpften Bevölkerung offenbar länger zirkuliert (WHO 2022), ohne dass es - wahrscheinlich wegen der hohen Impfquote - zu Krankheitsfällen kam.

    • Erst im Frühjahr 2022 kam es in Israel zu einem Erkrankungsfall mit Lähmungserscheinungen, verantwortlich war ein vom Impf-Virus Typ 3 (s.u.) abgeleiteter Erreger (circulating vaccine-derived poliovirus cVDPV3)

    • Aus dem westlichen Teil der Ukraine wurde im letzten Quartal 2021 ein Polioausbruch durch zirkulierende, vom Impfstoff abgeleitete Polioviren Typ 2 (circulating vaccine-derived poliovirus cVDPV2) gemeldet. Dabei wurden zwei klinische und 18 asymptomatische Fälle bei Kontaktpersonen bestätigt (RKI 2022).

  • Ein großes Problem könnten Veränderungen im Erbgut der Polioviren darstellen ("Mutationen"), die diese unempfindlich gegen die von der Impfung hervorgerufenen Antikörper machen: bei einer der letzten größeren Polio-Epidemien, im Kongo 2010, kam es schon während der Epidemie zu auffallend viel Erkrankten, die eigentlich mit 3 Impfungen geschützt waren und auch die Sterblichkeit im Rahmen der Epidemie war ungewöhnlich hoch. Forscher der Universität Bonn konnten nachweisen, dass gerade bei den Verstorbenen häufig ein "mutiertes" Polio-Virus nachzuweisen war, gegen das die Impfung keinen (sicheren) Schutz gewährleistet (Drexler 2014) - es ist derzeit völlig offen, welche Bedeutung dieser Umstand bei der schon lange versuchten Eradikation der Kinderlähmung durch ausgedehnte Impfprogramme hat.

  • Eine aktuelle Übersicht über die Kinderlähmungsfälle weltweit (sowohl die durch Wildviren, als auch die durch die Schluckimpfung ausgelösten) finden sie auf den Seiten der ECDC hier.

 

  • Poliomyelitis-Virus (Wild Polio-Virus WPV), es werden 3 Serotypen (WPV1,2,3) unterschieden, zwischen denen keine Kreuzimmunität besteht

    • Menschen sind das einzige Erregerreservoir

    • die Viren zeichnen sich durch eine hohe Stabilität gegen Umwelteinflüsse aus

    • seit 2015 gilt WPV2, seit 2019 WBV3 als ausgerottet

  • Infektionsmodus faeko-oral, d. h. in der Regel Aufnahme von Nahrung/Wasser, die/das durch den Stuhl eines Infizierten verseucht wurde

  • Polio-Viren befallen vor allem Kinder im Alter unter 5 Jahren (WHO)

  • Inkubationszeit 3 - 35 Tage, dann Verlauf in mehreren Phasen

  • Fast 3/4 der Polio-Infektionen verlaufen unbemerkt, ohne Symptomatik

  • Bei knapp 1/4 der Infizierten kommt es nur zum „Initialstadium“ (minor illness) mit grippalen Symptomen, die folgenlos abklingen

  • Bei ca. 1 - 2% der Infizierten folgt danach das „meningitische Stadium“ mit den Zeichen einer viralen Hirnhautentzündung, die nach 2 - 10 Tagen in der Regel rasch und folgenlos ausheilt

  • Bei ≤ 1% der Infizierten kommt es im Anschluss daran zum „Lähmungsstadium“ mit akut einsetzenden, nicht selten vollständig ausheilenden Muskellähmungen; selten kommt es zum Befall der Hirnnerven/Atemmuskulatur mit der Gefahr des Atem/Kreislaufstillstandes (RKI 2011). Schwere Lähmungsverläufe oder Todesfälle kommen mit höherem Alter häufiger vor (WHO 2022)

  • akut Atem/Kreislaufstillstand

  • bleibende Lähmungen

  • Bei 25 - 40% der von Lähmungen betroffenen Kindern kommt es 15 - 40 Jahre nach der initialen Ausheilung zum so genannten Post-Polio-Syndrom mit Muskelschwäche, Schmerzen und anhaltender Erschöpfung.

  • keine ursächliche Therapie möglich, unterstützend Physiotherapie etc.