Fünffach- und Sechsfach-Impfstoffe gehören seit Jahrzehnten zu den Standardempfehlungen für Säuglinge in allen europäischen Staaten. Wurde initial praktisch überall ein so genanntes "3+1-Impfschema" aus insgesamt 4 Impfungen für die Grundimmunisierung empfohlen (meist 3 Impfdosen im Abstand von je 4 - 6 Wochen und eine weitere nach mindestens 6 Monaten), konnte eine österreichisches Forschergruppe (Wiedermann 2009) schon 2009 nachweisen, dass mit einem "2+1-Schema" (zwei Dosen im Abstand von 8 Wochen, eine weitere nach mindestens 6 Monaten), also insgesamt einer Impfung weniger, immunologisch gleich gute Ergebnisse zu erzielen waren.
Dies wurde in den Folgejahren von den meisten europäischen Impfkommissionen umgesetzt, die STIKO brauchte für diesen Schritt allerdings bis sage und schreibe 2020... .
Und auch 2022 fällt auf, dass einer der beiden in Deutschland zugelassenen Fünffach-Impfstoffe - Pentavac™ der französischen Firma Sanofi - in Deutschland für das 2+1-Schema nicht zugelassen ist, sondern unverändert nur für das 3+1-Schema. In Frankreich selbst wird Pentavac seit Langem ganz regulär 2+1 empfohlen und geimpft... .
Von einer Patientenmutter mit der Frage nach dem 2+1-Schema konfrontiert antwortete Sanofi initial mit dem Hinweis auf angeblich nicht vorliegende Immunogenitätsstudien:
Sehr geehrte Frau ...,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserem Produkt Pentavac (283 - Pentavac-Xim). Sie hatten gefragt, warum der Pentavac Impfstoff nicht im 2+1 Schema zugelassen ist.
Wie Abschnitt 5.1 der unten verlinkten Fachinformation zu entnehmen ist, wurden die Immunogenitätsstudien bei Kindern ab 2 Monaten lediglich mit 3 initialen Dosen, plus einer vierten Impfung im vierten Lebensjahr durchgeführt (3+1)..
Erst auf Nachfrage gab Sanofi dann zu, dass diese Daten sehr wohl vorlägen und der Grund lediglich die vertrauliche Zulassungsstrategie Sanofis für Deutschland sei:
Sehr geehrter Herr Dr. Rabe,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserem Produkt Pentavac (283 - Pentavac-Xim)
Regulatorische Prozesse und anhängige Behördenentscheide können bei national geführten Zulassungsprozessen in der EU divergieren und sind somit evtl. nicht vergleichbar.
In Frankreich sind die Behördenentscheide für Pentavac auf der Webseite der französischen Arzneimittelbehörde, der HAS, öffentlich einsehbar [Verfügbar unter: https://www.has-sante.fr/jcms/pprd_2983773/fr/pentavac-vaccin-diphterique-tetanique-coquelucheux-acellulaire-multicompose#infoTechnique].
Studiendaten zum Einsatz von Pentavac in einem sogn. 2+1 Schema liegen vor [1],[2]. Im Review von Plotkin et al. [3] wird dazu u.a. Folgendes angemerkt:
Pentaxim was one of the first pentavalent aP vaccines available globally, licensed first in Europe and later worldwide. The approved indication is for a three-dose primary vaccination series during the first year of life and/or a booster vaccination during the second year of life. The vaccination schedule can be adapted to the immunization program of individual countries, with safety and immunogenicity having been demonstrated in schedules of 6-10-14 weeks (the EPI-recommended schedule), 2-3-4 months, 2-3-4 months plus booster, 2-4-6 months, 2-4-6 month plus booster and 3-5-12 months [1],[2].
[1] Carlsson RM, Claesson BA, Selstam U et al. Safety and immunogenicity of a combined diphtheria–tetanus–acellular pertussis–inactivated polio vaccine-Haemophilus influenzae type b vaccine administered at 2–4–6–13 or 3–5–12 months of age. Pediatr. Infect. Dis. J.17(11), 1026–1033 (1998).
• Safety and immunogenicity of two Pentaxim schedules for primary and booster vaccination in Sweden.
[2] Carlsson RM, Claesson BA, Fagerlund E, Knutsson N, Lundin C. Antibody persistence in five-year-old children who received a pentavalent combination vaccine in infancy. Pediatr. Infect. Dis. J.21(6), 535–541 (2002).
•• Data showing the long-term (5 year) persistence of antibodies to each Pentaxim antigen.
[3] Plotkin SA, Liese J, Madhi SA, Ortiz E. A DTaP-IPV//PRP∼T vaccine (Pentaxim): a review of 16 years' clinical experience. Expert Rev Vaccines. 2011;10(7):981-1005. doi:10.1586/erv.11.72
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen weitere Informationen zur Zulassungsstrategie des Unternehmens nicht zukommen lassen können.
Die Anwendung von Pentavac im 2+1 Schema ist in Deutschland nicht durch die Zulassung gedeckt.
Medizinisch gibt es also überhaupt keinen Grund, Pentavac™ für die Grundimmunisierung viermal zu impfen, ein 2+1-Schema wie oben beschrieben mit Impfungen z.B. mit 3, 5 und 12 Monaten ist gut dokumentiert. Für Sanofi bedeutet das 3+1-Schema allerdings pro grundimmunisiertem Kind ein erhebliches Mehr an Umsatz... honi soît qui mal y pense...
Wiedermann U. 2009. https://doi.org/10.1007/s00112-009-1974-1