Anders als in vielen anderen Ländern (USA, Kanada, aber auch Indien, Brasilien) gab es in Deutschland bis Anfang 2001 kein Programm zu Erfassung von Unerwünschten Arzneiwirkungen (UAW) von Impfstoffen. Die Entscheidung, eine mögliche Impfreaktion zu melden lag beim impfenden Arzt („Spontanerfassung“), Fachleute der entsprechenden Meldebehörden gehen diesbezüglich davon aus, dass bei diesem Vorgehen nur etwa 6% der UAW insgesamt und höchstens 10% der schwereren UAW erfasst werden (BFARM 2010) - welcher Arzt gibt schon gerne zu, dass eine Maßnahme, die er selbst als hilfreich und harmlos verkauft und durchgeführt hat, Schaden angerichtet haben könnte?
Ein solches Meldesystem ist nach Ansicht aller Fachleute nicht geeignet, differenzierte Aussagen über die Art und vor allem die Häufigkeit von UAW, noch viel weniger natürlich solche über deren vermeintliches Fehlen zu ermöglichen.
Seit Anfang 2001 schreibt nun das neue Bundesinfektionsschutzgesetz (IFSG) vor, schwere UAW nach Impfungen über das zuständige Gesundheitsamt an das PEI zu melden, die gesammelten Daten sollten regelmäßig veröffentlicht werden – eine erste umfassende Datenübersicht erschien 4 Jahre (!) nach Beginn der Erfassung (Keller-Stanislawski 2004). Mittlerweile existiert beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFArM) eine öffentlich zugängliche Datenbank (http://nebenwirkung.bfarm.de), die die Rohdaten der UAW-Meldungen dokumentiert. Die Ergebnisse sind ernüchternd bis deprimierend – obwohl die Nichtmeldung von Impfkomplikationen durch den Arzt nach dem IFSG mit einem Bußgeld von bis zu € 25.000 bedroht ist, hat sich die völlig unbefriedigende Meldedisziplin der Ärzteschaft insgesamt de facto nicht substantiell verändert: unverändert geht das PEI von einer dramatischen Untererfassung aus und kommt in der genannten Veröffentlichung zu folgenden Schlussfolgerungen:
- „Das vorhandene System der passiven Surveillance von Meldungen von Gesundheitsstörungen nach Impfung ist grundsätzlich nicht in der Lage, epidemiologische Aussagen zur Häufigkeit des Auftretens von Komplikationen nach Impfung zu treffen.“
- „Da die Untererfassung der Meldungen von Impfkomplikationen nicht bekannt oder abzuschätzen ist und keine Daten zu verabreichten Impfungen als Nenner vorliegen, kann keine Aussage über die Häufigkeit bestimmter unerwünschter Reaktionen gemacht werden.“
- „Die Meldedaten können also nicht die Frage beantworten, ob Impfungen oder bestimmte Impfstoffe „sicher“ sind, sie können lediglich Hinweise auf neue Risikosignale liefern.“ (Keller-Stanislawski 2004)
Im Jahr 2009 gingen beim Paul Ehrlich Institut (PEI) mehr als 6000 Verdachtsfälle auf UAW von Medikamenten ein, davon betrafen 65% Impfstoffe - mehr als die Hälfte der Meldungen kam jedoch nicht auf dem vom IFSG vorgesehenen Weg über die impfenden/behandelnden Ärzte, sondern direkt von der pharmazeutischen Industrie (BFARM 2010) - das gesetzlich verankerte Instrument der Erfassung funktioniert also wenn überhaupt dann nur unzuverlässig.
Zusammengefasst lässt sich zum Thema Unerwünschter Arzneiwirkungen von Impfstoffen also folgendes festhalten:
- Die Mehrzahl dieser Untersuchungen werden von den Herstellern der Impfstoffe durchgeführt oder zumindest finanziert , was an der Ergebnisoffenheit der Studien berechtigte Zweifel aufkommen lässt.
- Diese Studien sind wissenschaftlich von äußerst geringem Wert, da sie – anders als in allen anderen Bereichen der Medizin sonst üblich – nicht gegen Placebo (wirkstofffreies Scheinmedikament) durchgeführt werden.
- Die Studien im Vorfeld der Zulassung eines Impfstoffes sind allenfalls geeignet, häufige UAW zu erfassen.
- Die Erfassung von Impfstoffnebenwirkungen nach der Zulassung eines Impfstoffes in Deutschland ist nicht geeignet, Aussagen über die Sicherheit von Impfstoffen zu machen.
Vor diesem Hintergrund werfen die unermüdlich wiederholten Äußerungen der STIKO und ihrer Mitglieder über die Unbedenklichkeit der in Deutschland verwandten Impfstoffe mehr Fragen auf, als sie vorgeben zu beantworten.
Literatur
BFARM. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. 2010, Ausgabe 4.
Keller-Stanislawski B. Bundesgesundheitsblatt 2004. 47: 1151-1164