Im Verlaufe der letzten Monate und Jahre ist das Problem der Arzneimittelsicherheit und deren Zusammenhang zur Qualität pharmakologischer Studien auch in der Öffentlichkeit in zunehmendem Maße diskutiert worden -
– zahlreiche Beispiele belegten, dass Herstellerfirmen unliebsame Studienergebnisse fälschen oder zurückhalten, unerwünschte Arzneiwirkungen, die vermeintlich überraschend zur Zulassungseinschränkung oder gar Marktrücknahme von Arzneien führten, erwiesen sich im Rückblick als den Herstellern oft schon von vorneherein bekannt (Lipobay®, Vioxx®, Paroxetin und andere mehr).
Erst allmählich wird klar, in welchem Umfang die Tatsache, dass es die Herstellerfirmen selbst sind, die wissenschaftliche Untersuchungen zu Wirksamkeit und Verträglichkeit der von ihnen vertriebenen Produkte in Auftrag geben, zu einer relevanten Verzerrung der Ergebnisse führt: denn nur die Studien mit herstellergenehmen Ergebnissen werden veröffentlicht, gegenteilige Ergebnisse unterschlagen.
Die mittlerweile erhobene Forderung, jedwede wissenschaftliche Untersuchung im Vorhinein registrieren zu lassen, damit ihre Existenz auch im Falle unliebsamer Ergebnisse zumindest bekannt ist, ist hier eine sinnvolle Minimalforderung.
Mittlerweile wurde sogar ein wissenschaftliches Journal gegründet wurde, dass sich alleinig die Veröffentlichung negativer Untersuchungsergebnisse zum Inhalt macht:
- „Das "Journal of Negative Results in Biomedicine" veröffentlicht nur Ergebnisse von Studien, bei denen sich die Erwartung der Wissenschaftler oder der Geldgeber nicht erfüllt haben. Wäre nicht die renommierte Harvard-Universität in Boston der Herausgeber, würde man die neue Zeitschrift für einen Gag halten. Tatsächlich hat die Sache aber einen wichtigen Hintergrund: Studien, die zu einer negativen Aussage in Bezug auf die Wirksamkeit eines Medikaments, Impfstoffs oder Therapieverfahrens gekommen sind, oder eine unerwartete, gleichwohl aber wichtige Nebenwirkung einer Arznei entdeckt haben, werden häufig nicht veröffentlicht - ein "file-drawer effect", wenn unliebsame Daten auf diese Weise ungelesen im Aktenschrank verschwinden.“ (Die Welt 25.01.05)
Unverändert werden auch im Impfbereich viele, wenn nicht die meisten klinischen Studien zu Impfstoffen entweder ausschließlich von deren Herstellern oder zumindest mit wesentlicher Beteiligung der Pharmaindustrie durchgeführt. Die Frage, ob und wenn ja welche dieser Untersuchungen dann veröffentlicht werden liegt in diesen Fällen dann eben auch maßgeblich bei den entsprechenden Firmen.
Eines der deutlichsten Beispiele für die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf Studienergebnisse wurde im Herbst 2003 veröffentlicht: Wie im in den Ausführungen über die Additiva von Impfstoffen détailiert ausgeführt, gilt diesen (erst!) in den letzten Jahren und teilweise erst nach massivem Druck seitens der WHO die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler bezüglich der Verträglichkeit und eventueller Unerwünschter Arzneiwirkungen dieser Zusatzstoffe - und das schon nach nur einigen wenigen Jahrzehnten im wesentlichen ungeprüfter großflächiger Massenanwendung...
Im Herbst 2003 erschien dann in der renommierten Fachzeitschrift Pediatrics eine große Übersichtsarbeit, die endlich und endgültig die Unbedenklichkeit speziell von Quecksilber als Konservierungsmittel (Thiomersal) nachweisen sollte (Verstraeten 2003). Diese Studie provozierte eine Reihe von Leserbriefen und Reaktionen, von denen der erhellendste wohl der Brief ist, den der Arzt und Kongressabgeordnete des amerikanischen Kongresses Dave Weldon an Julie Gerberding, die Direktorin des CDC (oberste amerikanische Gesundheitsbehörde) schrieb. Er wurde veröffentlicht von einer amerikanischen website über Impfungen (www.thinktwice.com) und lässt tiefe Einblicke in das Zustandekommen wissenschaftlicher Veröffentlichungen nicht nur bezüglich dieser Studie zu.
Dr. Weldon weist hier darauf hin, dass in den initialen Rohdaten und den Vorgängerversionen der Studie ein signifikanter negativer Einfluss von Thiomersal auf die kindliche Entwicklung nachweisbar gewesen sei: sowohl das Risiko, an Autismus zu erkranken, als auch dasjenige, eine neurologische Entwicklungsverzögerung zu erleiden sei bei den thiomersalexponierten Kindern signifikant erhöht gewesen.
Angesichts dieser Datenlage sei es zu einer Art „Krisentreffen“ zwischen den Autoren der Studie, dem CDC und Vertretern der Impfindustrie gekommen, in dessen Gefolge durch umfangreiche Datenmanipulationen die Statistik dergestalt verändert wurde, bis die gewünschten, beruhigenden Ergebnisse errechnet werden konnten.
Der Hauptautor der Studie, Verstraeten, arbeitete zum Zeitpunkt der Studienveröffentlichung nicht mehr, wie von Pediatrics angegeben, für das CDC, sondern war schon Jahre vorher zu GlaxoSmithKline, einem der großen internationalen Impfstoffhersteller gewechselt – Pediatrics versäumt unter Verstoß gegen den eigenen Veröffentlichungskodex, auf diesen nicht unerheblichen Interessenskonflikt des Studienautors hinzuweisen
Solange also die Hersteller der Impfstoffe selbst über die Veröffentlichung von Ergebnissen entscheiden, die letztendlich ausschlaggebend für Bewertung und Zulassung der entsprechenden Medikamente sind, müssen auch diese Untersuchungen mit äußerster Vorsicht gelesen und interpretiert werden...
Und selbst die veröffentlichten Studien zu mutmaßlichen unerwünschten Arzneiwirkungen von Impfstoffen werden – laut einer aktuellen Literaturübersicht – in 25% der Fälle so verschlagwortet, dass sie in gängigen medizinischen Datenbanken bei Abfragen zum Thema UAWs schlicht nicht aufzufinden sind... ein Zufall? (Price 2004)
Absolute Unabhängigkeit von Industrieinteressen muss selbstverständlich am unnachgiebigsten von denen gefordert werden, die öffentliche Empfehlungen zu Schutzimpfungen formulieren, in Deutschland also von der STIKO und ihren Mitgliedern. Inwieweit diese tatsächlich gegeben ist, bleibt angesichts der von den STIKO-Mitgliedern selber angegebenen Interessenskonflikte (RKI 2015 - s. dort z.B. die Angaben der Herren Heininger und Zepp) mehr als fraglich. Zweifel hatte hier im Zusammenhang mit der so genannten "Schweinegrippeimpfung" auch die international renommierte Antikorruptionsorganisation Transparency international:
"Seit August 2008 haben die Mitglieder der STIKO nach jahrelangem Drängen, auch von Transparency Deutschland, ihre potenziellen Interessenkonflikte auf der Website der STIKO offengelegt. Dies ist als erster Schritt anerkennenswert. Die aktuellen Angaben vom März 2009 zeigen, dass die Mehrzahl der derzeit 16 Mitglieder mehr oder minder intensive Kontakte, darunter auch bezahlte Tätigkeiten, zu den wichtigsten Herstellern von Impfstoffen haben. Weiterhin ist nachzulesen, dass einige der STIKO-Mitglieder sich für das "Forum Impfen" engagieren, das seinerseits finanzielle Unterstützung u.a. der Firma Sanofi-Pasteur-MSD (SPMSD) genießt.
Die Website des „Forum Impfen“ gibt keinen Hinweis auf die finanzielle Höhe dieser Unterstützung." (TI 2009)
Erschreckenderweise befinden sich die Damen und Herren der STIKO damit sowohl national als auch international in guter Gesellschaft:
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eine Analyse deutscher Leitlinien ergab, dass 16% der beteiligten Autoren von vorne herein keine Erklärung zu Interssenskonflikten abgaben, von den verbleibenden 84% hatten 50% (!) finanzielle Interessenskonflikte. Diese wurden in nur 11% der Fälle extern bewertet und in nur einem Fall (von insgesamt mehr als 900 betroffenen Experten) wurden Konsequenzen aus den Interessenskonflikten bezüglich der Mitarbeit an der Leitlinie gezogen (DÄ 2015).
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einer Untersuchung des renommierten internationalen Journals Nature zu Folge bestehen bei mindestens einem Drittel der für Leitlinien verantwortlichen Autoren enge finanzielle Verbindungen zur pharmazeutischen Industrie (Taylor 2005)
Literatur
Price D. Vaccine. 2004 May 7;22(15-16):2080-4.
RKI 2015. Abruf 18.07.2015
Schott G. Dtsch. Arztebl Int 2015; 112: 445-51. Abruf 18.07.2015
Taylor R. Nature 437, 1070 - 1071 (20 October 2005)
TI 2009. Abruf 18.07.2015