Die Vielzahl der mittlerweile in den ersten Lebensmonaten empfohlenen Impfungen führt dazu, dass nicht nur Kombinationsimpfstoffe verwendet (5-fach, 6-fach), sondern diese regelmäßig auch noch gleichzeitig mit jeweils anderen Impfstoffen verimpft werden, in der Regel anlässlich der Vorsorgeuntersuchungen ("Us"). Eine Studie hat jetzt die Konsequenzen für die Häufigkeit von Unerwünschten Arzneiwirkungen (UAW) untersucht.

Ausgehend von der vordefinierten Kohorte des Oxford-Royal College of General Practitioners Research and Surveillance Centre for children wurden über 3,5 Millionen gemeldete UAWs nach über 5 Millionen Impfdosen bei fast einer Million Kinder analysiert. Die Fragestellung war, ob UAWs bei gleichzeitiger Verabreichung mehrerer Impfstoffe seltener, gleich häufig oder häufiger auftraten, als in der Summe der getrennten Impfung.

In der Mehrzahl der Kombinationen von zwei Impfstoffen kam es nicht zu einer signifikanten Zunahme der UAWs, lediglich die MMR-Impfung erwies sich hier als potentiell problematisch: so führte die gleichzeitige Verabreichung von MMR mit dem Pneumokokken-Impfstoff zu einer Verdopplung des Risikos neurologischer Nebenwirkungen (v.a. Krampfanfälle), die Kombination MMR plus Fünffach-Impfung führte zu mehr als dreimal mehr UAWs des Bewegungsapparates, die Kombination mit dem Meningokokken C-Impfstoff zu deutlich mehr Fieberreaktionen.

Die Verabreichung des Fünffach-Impfstoffs gemeinsam mit dem Pneumokokken-Impfstoff führte jedoch zu einer Verringerung des Risikos von UAWs verglichen mit der Summe der getrennten Impfung. Das ist deswegen interessant, weil die gleichzeitige Impfung des in D empfohlenen Sechsfach-Impfstoffs mit dem 13-valenten Pneumokokken-Impfstoff deutlich häufiger zu neurologischen Nebenwirkungen führte, als z.B. die Kombination mit dem älteren 7-valenten Pneumokokken-Impfstoff (Trotta 2015).

Bei der gleichzeitigen Verabreichung von drei Impfstoffen kam es insgesamt deutlich häufiger zu einer Zunahme der UAWs.

Die detailierten Ergebnisse finden Sie hier in den Tabellen, rot umrandet sind in Deutschland empfohlene Kombinationen mit einer Zunahme einer oder mehrerer UAWs.

Bauwens 1

 

Bauwens 2

 

Bauwens 3

 

Aus dem Impfplan des RKI wird deutlich, dass in D - anders als in der Studie - der Sechsfach- und nicht der Fünffach-Impfstoff empfohlen wird und die gleichzeitige Verabreichung von bis zu vier Impfstoffen vorgesehen ist:

  • schon bei der U4 sind Rotavirus-Impfung, Sechsfach- und Pneumokokken-Impfung empfohlen (führte in der Studie mit dem Fünffach-Impfstoff zu einer deutlichen Zunahme von Fieberreaktionen und sonstigen UAWs, s.o.)

  • die U6 liegt grundsätzlich im Zeitfenster für die letzte Sechsfach-Impfung, die letzte Pneumokokken-Impfung, die MMRV-Impfung und die Meningokokken C-Impfung.

Impfkalender

Und ein grundsätzliches Problem sieht das RKI auch in der letztgenannten Lösung nicht, im Gegenteil, die gleichzeitige Verabreichung verschiedener Impfstoffe wird ausdrücklich empfohlen:

RKI U6

Quelle: RKI 2022b

Zusammenfassend zeigt sich, dass die Wechselwirkungen gleichzeitig verabreichter Impfungen bislang deutlich zu wenig Beachtung fanden bei der Formulierung von Impfempfehlungen und -kalendern. (Auch) hier besteht - wie in so vielen Fragen des Impfens - ein deutliches Forschungsdefizit.

Bauwens J. 2022. BMJ Global Health. 2022;7:e008215. doi:10.1136/ bmjgh-2021-008215. Abruf 07.10.2022

RKI 2022a. Impfkalender. Abruf 07.10.2022

RKI 2022b. FAQ. Abruf 06.10.2022

Trotta F. Euro Surveill. 2015;20(7):pii=21041. Abruf 07.10.2022