Lesen Sie hier über die von Haemophilus influenzae B ausgelösten Erkrankungen und über replacement-Phänomene durch eine wirksame Schutzimpfung.
- Haemophilus influenzae B, Bakterium (hat nichts mit der Influenza/Grippe zu tun!), tritt in einer bekapselten Form und in einer unbekapelten Form auf.
- Bei der bekapselten Variante unterscheidet man nochmals die Kapseltypen A bis F – die Impfung schützt ausschließlich gegen die bekapselte Form des Kapseltyps B.
- Tröpfcheninfektion
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Vor der Einführung der HiB-Impfung waren mehr als 95% der Haemophilus influenzae-Fälle durch den Kapseltyp B ausgelöst (Nanduri 2017, CDC 2013).
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Vor der Einführung der Impfung traten ca. 90% aller Erkrankungen vor dem 6. Geburtstag, ca. 75% vor dem 2. Geburtstag, ca. 50% vor dem 1. Geburtstag auf.
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In ungeimpften Bevölkerungen sind bis zu 10% der (ungeimpften) Vorschul/Schulkinder gesunde Keimträger (Murphy 1985) - die Angaben divergieren hier jedoch stark (das ECDC spricht von 3 - 9% (ECDC Factsheet), das CDC spricht von bis zu 3% (CDC 2013)), wohl nicht zuletzt, weil auch deutliche ethnische Unterschiede bestehen.
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In Deutschland wird vor der Einführung der HiB-Impfung im Jahr 1990 (ohne gesichertes Datenmaterial) von ca. 1600 „invasiven Haemophilus influenzae-Infektionen“ in Deutschland (Erregernachweis in Blut oder Rückenmarksflüssigkeit) ausgegangen.
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Anders als in anderen europäischen Ländern gibt es hier für Deutschland jedoch keine sichere Datengrundlagen. Länder wie Großbritannien, Frankreich oder Finnland geben für die Zeit vor der HiB-Impfung Häufigkeiten (Inzidenzen) in der Größenordnung (!) von 1 - 2,5 Fällen pro 100.000 und Jahr an (Anderson 1995, Booy 1993, Reinert 1993, Peltola 1984). Beim Vergleich der Inzidenzwerte dieser älteren Studien ist zu beachten, dass diese die HiB-Fälle in der Regel auf 100.000 Kinder unter 5 Jahren und Jahr beziehen (nicht 100.000 Einwohner insgesamt).
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Nach der Einführung der flächendeckenden HiB-Impfung kam es in Deutschland - wie auch in anderen Ländern (Adams 1993, van Alphen 1997, Garpenholt 1996, Herceg 1997) - zu einem deutlichen Rückgang von invasiven Hi B-Erkrankungen (Kalies 2008).
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Seit 2006 wird jetzt in Deutschland ein kontinuierlicher Wiederanstieg der Haemophilus influenzae - Infektionen beobachtet - ein Trend, der europaweit schon früher begann und der so auch schon in anderen Teilen der Welt beobachtet wurde (Nascimento-Carvalho 2006).
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Ursache dafür ist eine Zunahme sowohl unbekapselter Hi-Bakterien, als auch solcher mit einem anderen Kapseltyp als B - ein klassisches replacement-Phänomen.
- Die Betrachtung der Inzidenz zeigt, dass die Gesamtzahl der Hi-Erkrankungen mit etwa 2/100.000 Einwohner in Deutschland jetzt für die Gesamtbevölkerung auf dem hohen Niveau liegt, wie vor der Impfkampagne nur in der Hauptrisikogruppe der Unter 5-Jährigen.
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In Deutschland traten 2022 von 1000 Haemophilus influenzae-Fällen (der höchsten Zahl seit Beginn der Meldepflicht) 78 bei Kindern unter 5 Jahren auf (etwa 8%), 715 Fälle (knapp 72%) betrafen Erwachsene, die älter als 59 Jahre waren, die Infektionshäufigkeit nahm jenseits des 60. Geburtstags mit dem Lebensalter zu.
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Für gut 80% der 2022 erfassten Fälle lagen konkrete Angaben zum Hi-Typ vor, etwa 5% davon betrafen Hi B.
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Von den 2022 gemeldeten 54 Todesfällen an Hi-Erkrankungen betraf einer ein Kleinkind, das an Hi A erkrankte (eine Impfung hätte diesen Todesfall also nicht verhindern können), das mediane Alter der übrigen verstorbenen Patienten betrug 84 Jahre.
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Stillen verringert das Risiko einer schweren HiB-Infektion nachweisbar (CDC 2013), der Effekt hält auch nach Ende des Stillens bis ins Schulkindesalter an (Silfverdal 1997)
Unter dem flächendeckenden Einsatz der vordergründig sehr effektiven Impfung gegen Hi B
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kam es zunächst zu einem deutlichen Rückgang der vorher praktisch nur bei Kleinkindern zu beobachtenden Erkrankung
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kam es nach etwa 15 Jahren zu einem kontinuierlichen Wiederanstieg der Haemophilus influenzae-Erkrankungen, die
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jetzt vor allem ältere und alte Menschen betreffen
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überwiegend durch andere Hi-Typen ausgelöst werden als Hi B
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- 30 Jahre nach Beginn der Impfkampagne ist die Häufigkeit von Haemophilus influenzae-Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung auf dem hohen Niveau liegt, wie vor der Impfkampagne nur in der Hauptrisikogruppe der Unter 5-Jährigen.
- Inkubationszeit einige Tage
- verantwortlich für im wesentlichen 2 „invasive“ Erkrankungen
- Eitrige Hirnhautentzündung (Meningitis) (früher Haupterreger - nicht einziger Erreger! - im Kindesalter)
- typischer Verlauf mit hohem Fieber, stark reduziertem Allgemeinzustand, Kopfschmerzen, neurologischen Symptomen
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Eitrige Kehldeckelentzündung (Epiglottitis acutissima phlegmonosa)
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akut einsetzende entzündliche Verschwellung des Kehldeckels mit starker Luftnot, Erstickungsgefahr, hohem Fieber
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- Bei Kindern liegt der Erkrankungsgipfel der Meningitis im 2. Lebenshalbjahr, der der Epiglottitis ab dem 3. bis zum 6. Lebensjahr
- für beide Erkrankungen intensivmedizinische Betreuung
- antibiotische Therapie
- Epiglottitis: i.d.R. Intubation und künstliche Beatmung
- Meningitis: i.d.R. Cortison zum verhindern neurologischer Folgeschäden
- abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginns
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Meningitis: bleibende Innenohrschwerhörigkeit bei bis zu 6% der Patienten
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Epiglottitis: lebensbedrohlich, bei rechtzeitigem Therapiebeginn/Intubation gute Prognose
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Eine HiB-Erkrankung hinterlässt keine verlässliche Immunität (vor allem bei Kindern vor dem zweiten Geburtstag) - Zweiterkrankungen sind möglich! (CDC 2016)
Adams WG. Jama 1993, 269:221-226.
van Alphen L. J Pediatr 1997, 131:869-873.
Anderson EC. Epidemiology of invasive Haemophilus influenzae infections in England and Wales in the pre-vaccination era (1990-2). Epidemiol. Infect. (1995), 115, 89-100
Berndsen MR. Clin Microbiol Infect. 2012 Sep;18(9):918-23. doi: 10.1111/j.1469-0691.2011.03700.x.
Booy R. Invasive Haemophilus influenzae type b disease in the Oxford Region (1985-91). Archives of Disease in Childhood 1993; 69: 225-228
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ECDC. Annual epidemiological report 2012.
ECDC o.A. Factsheet about Invasive Haemophilus influenzae Disease. Abruf 15.07.2018
Garpenholt O. Scand J Infect Dis 1996, 28:165-169.
Herceg A. Commun Dis Intell 1997, 21:173-176.
Kalies H. Vaccine 2008, 26:2545-2552.
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Murphy TV. 1985. The Journal of Pediatrics. 106(5):712–16
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