Nachdem die Grippeimpfung von Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen bis jetzt jeden überzeugenden Beweis einer relevanten Wirksamkeit schuldig blieb, haben einige Länder - auch in Europa - und die WHO eine neue Zielgruppe in's Auge gefasst: Schwangere.

Nun hat eine sehr große amerikanische Studie hier jedoch zutiefst beunruhigende Ergebnisse hervorgebracht:

  • Zumindest für die Grippeimpfung im ersten Drittel der Schwangerschaft war das Risiko der geborenen Kinder, im späteren Leben an Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zu erkranken, eindeutig, wenn auch nicht "signifikant", erhöht (Zerbo 2016). Die fehlende Signifikanz bedeutet, dass es ein geringes Restrisiko gibt, dass dies - trotz der sehr großen Zahl der untersuchten Kinder - ein zufallsbedingtes Ergebnis ist (s.u.). Weder für die Grippeimpfung im späteren Verlauf der Schwangerschaft, noch für die Grippeinfektion während der Schwangerschaft wurde eine Erhöhung des ASS-Risikos gefunden. Zum letzteren Zusammenhang gibt es bis jetzt widersprüchliche Studienergebnisse: einige Untersuchungen fanden hier einen Zusammenhang (Attladottir 2012, Deykin 1979, Jiang 2016), andere nicht (Fang 2015, Zerbo 2013).

  • Die Autoren dieser nicht nur statistisch sehr aufwändig gestalteten Studie schlussfolgern, dass wenn ihre Ergebnisse nicht zufallsbedingt seien, mit je 4 zusätzlichen Fällen von ASS auf 1000 geimpfte Schwangere zu rechnen wäre - ein Verdacht, der bis zu seiner weiteren definitiven Klärung jede Influenza-Impfung Schwangerer ad absurdum führt... .

  • Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht zuletzt deshalb so irritierend, weil mindestens einer der Studien-Hauptautoren (Dr. Klein) massive Interessenkonflikte mit praktisch allen relevanten Herstellern von Grippeimpfstoffen angibt. Vielleicht findet sich in dieser Tatsache der Grund, dass zum statistischen Relativieren der gefundenen Effekte ein Verfahren angewandt wurde (Bonferroni-Korrektur), das zu diesem Zweck nicht unumstritten ist, weil es dazu tendiert, bei Signifikanz-Untersuchungen falsch-negative Ergebnisse zu erbringen, das heißt, vorhandene Signifikanzen zu unterdrücken: "Depending on the correlation structure of the tests, the Bonferroni correction could be extremely conservative, leading to a high rate of false negatives." (Goldman 2008) bzw. "Bei der Durchführung mehrerer statistischer Signifikanztests mit den gleichen Daten kann die Bonferroni-Korrektur angewandt werden, um es einem einzelnen Test zu erschweren, statistisch signifikant zu sein." (Statsoft 2017).... .

  • Um das wahre Ausmaß des Effektes der Grippeimpfung abzuschätzen scheint daher eine Re-Analyse der Daten durch unabhängige Methodiker mit ergebnisneutralen statistischen Methoden so sinnvoll wie hochnotwendig.

 

Und bezüglich der Wirksamkeit mehren sich auch bei der Influenzaimpfung in der Schwangerschaft - wie auch bei allen anderen bisherigen Zielgruppen - zunehmend die Zweifel:

  • das zur Impfpromotion Schwangeren gegenüber gerne benutzte Argument der Verminderung von Frühgeburten ist neueren Untersuchungen gegenüber mehr als fragwürdig. Zu viele das Ergebnis möglicherweise verzerrende Faktoren blieben in den bisherigen Studien unberücksichtigt (Vazquez-Benitez 2016) - zieht man diese in Betracht, sieht das Ergebnis ernüchternd aus: "This suggests that the large fetal benefits from influenza vaccination observed in epidemiologic studies are unlikely to be causal" (Hutcheon 2016).

  • und eine große Meta-Analyse von Cochrane (früher: Cochrane-Collaboration) aus dem Jahr 2019 findet ebenfalls keinerlei Nutzen der Influenza-Impfung bezüglich Schwangerschaftskomplikationen: "This Bayesian meta-analysis did not find a protective effect of maternal influenza vaccination against adverse birth outcomes, as reported in previous studies." (Jeong 2019)

 

Auch der Nutzen für dann geborene Kinder wurde in einer sehr große Untersuchung (Sukumaran 2018) geklärt:

  • Über 400.000 Kinder wurden auf die Fragestellung hin untersucht, ob nach einer Impfung der Mutter in der Schwangerschaft gegen Keuchhusten oder Grippe die Sterblichkeit der Kinder oder die Zahl der Krankenhausaufenthalte während der ersten 6 Lebensmonate vermindert oder erhöht sei. Das Ergebnis beruhigt und beunruhigt zugleich - es gab für beide untersuchte Parameter keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Kindern, deren Mütter geimpft wurden und denen, deren Mütter in der Schwangerschaft ungeimpft blieben.

  • Zu genau diesem Ergebnis kam auch eine 2019 veröffentliche kanadische Studie: sie fand keinen Zusammenhang zwischen der Grippeimpfung (H1N1, 2009) und Erkrankungen oder Sterblichkeit der geborenen Kinder in immerhin den ersten fünf Lebensjahren (Walsh 2019).

  • Die Autoren der Untersuchung werten das als Beleg für die Sicherheit der Impfung.

  • In genau gleichem Maße beweist diese Untersuchung aber auch deren Nutzlosigkeit - denn: warum soll ich Mütter während der Schwangerschaft impfen, wenn ihre dann geboren Kinder bezüglich Sterblichkeit und dem Risiko von Krankenhausaufenthalten in keiner Art und Weise profitieren und mit oder ohne Impfung genau gleich häufig oder selten krank werden....

 

Selbst die WHO - nicht zuletzt dank ihrer massiven finanziellen Abhängigkeit von der Bill and Melinda Gates Foundation nicht als Hort der Impfkritik bekannt - urteilt hier in ihrem final report zur Frage der Grippeimpfung in der Schwangerschaft (ungewohnt) zurückhaltend und kritisch:

  • "The evidence that maternal influenza immunization reduces the risk of adverse birth outcomes was conflicting, and many observational studies were subject to substantial bias. The lack of scientific clarity regarding disease burden or magnitude of vaccine efficacy against severe illness poses challenges for robust estimation of the potential impact of maternal influenza immunization programs." (Fell 2017).

  • Dieses Eingeständnis des Fehlens belastbarer Daten hält sie jedoch nicht davon ab, Schwangere zu Hauptzielgruppe der Influenzaimpfung zu erklären - ihre Impfung habe "höchste Priorität" (WHO Influenza Vaccine o.J.).

 

Der von der WHO selbst angeführte "substantial bias", also die substanzielle Verzerrung der bisherigen Beobachtungsstudien, wird von einer 2019 veröffentlichten italienischen Studie untersucht und bestätigt: die überwiegende Mehrzahl der Studien weise den "healthy vaccinee-effect" auf; das heißt: da sich überwiegend Frauen ohne sonstige Vorerkrankungen impfen ließen, sei deren Komplikationsrisiko auch im Falle einer Influenza-Erkrankung unabhängig von der Impfung natürlich geringer (Donzelli 2019). Die einzige wissenschaftlich hochwertige Studie ohne dieses Problem zeige - so Donzelli et al. -  eine "very limited protection against influenza" bei gleichzeitigem "excess of local adverse effects, and a tendency to harm for serious adverse events". Besonders beunruhigend - so diese Studie - seien die deutliche Zunahme von Todesfälle nach der Impfung vor allem in Ländern mit geringem oder sehr geringem Einkommensniveau ((very) low income countries). Die Autoren mahnen vor der flächendeckenden Impfung deutlich mehr wissenschaftlich belastbare Studien an - wie ja letztendlich auch die WHO...

 

Literatur

Atladóttir HO. Pediatrics. 2012;130(6):e1447-e1454. Abruf 31.05.2017

Deykin EY. Am J Epidemiol. 1979;109(6):628-638.

Donzelli A. 2019. Human Vaccines & Immunotherapeutics. DOI: 10.1080/21645515.2019.1568161. first published online. Abruf 14.01.2019

Fang SY. Paediatr Perinat Epidemiol. 2015;29(4): 307-316.

Fell DB. 2017. Vaccine. 35(43):5738–50

Goldman M. http://www.stat.berkeley.edu. Abruf 31.05.2017

Jeong S. 2019. PLoS ONE 14(8): e0220910. https://doi.org/10.1371/journal. pone.0220910 (Abruf 16.03.2020)

Hutcheon JA. Am J Epidemiol. 2016;184(3):227–232.

Jiang HY. Brain Behav Immun, Volume 58, Issue null, Pages 165-172.

Statsoft.de. https://www.statsoft.de. Abruf 31.05.2017

Sukumaran L. 2018. Pediatrics. 141:e20173310

Vazquenz-Benitez G. Am J Epidemiol. 2016;184(3):176–186.

Walsh LK. 2019.BMJ. 366:l4151

WHO. o.J. Influenza - Vaccine use. Abruf 14.01.2019

Zerbo O. J Autism Dev Disord. 2013;43(1):25-33. Abruf 31.05.2017

Zerbo O. JAMA Pediatr. 2017 Jan 2;171(1):e163609. Abruf 30.05.2017