Das Oktober-Treffen der SAGE, der Strategic Advisory Group of Experts on Immunization der WHO brachte eine ungewöhnliche Aufforderung: alle Länder mögen bitte sofort aufhören, Jungen gegen HPV zu impfen (WHO 2019, Arie 2019). War der WHO doch noch aufgefallen, dass das Risiko für Gebärmutterhalskrebs bei Jungen tatsächlich relativ gering ist (s. auch hier)?

Der Grund ist banaler: weltweit gibt es derzeit eine massive Unterversorgung mit HPV-Impfstoff, so dass die Impfprogramme für die Hauptzielgruppe - Mädchen in Ländern mit Gesundheitssystemen, die, anders als in Deutschland, das Risiko, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken nicht durch ein exzellentes Vorsorge- und Früherkennungssystem senken können - derzeit nicht im geplanten Maße durchgeführt werden können.

Die Impfstoffhersteller sehen sich außerstande, hier auch nur mittelfristig Abhilfe zu schaffen: erst 2024 erwartet die WHO ein der Nachfrage entsprechendes Angebot an Impfstoff (Arie 2019).

Bis dahin sollen die Impfungen restriktiv gehandhabt und auf Mädchen vor Beginn ihrer Sexualität eingeschränkt werden - und selbst hier wird vorgeschlagen, nach dem gerade erst umgesetzten Beginn der HPV-Impfung im Alter von 9 Jahren die zweite Impfung erst drei bis fünf Jahre nach der ersten Dosis zu verabreichen - auch wenn das, wie die WHO einräumt, dann off label sei... (eine Tatsache, die man sich wird merken dürfen...).

Das ganze erinnert an die Situation Anfang dieses Jahrhunderts, als in Deutschland vorübergehend kein für Kinder zugelassener FSME-Impfstoff mehr auf dem Markt war und die Prognose der Erkrankung bei Kindern plötzlich (und auch nur vorübergehend) viel günstiger (und damit realistisch) eingeschätzt wurde, als zu Zeiten der Impfstoffverfügbarkeit...

Literatur

Arie S. 2019. BMJ 367:l6765 doi: 10.1136/bmj.l6765.

WHO. 2019. WER No 47, 94, 541–560