Nachdem sich eine 17-jährige Austauschschülerin aus Guatemala in Deutschland mit Masern angesteckt hatte, konstruieren die üblichen Verdächtigen auch dies als abstruses Argument für eine Impfpflicht für Masern in Deutschland....

Jetzt seien - so Thomas Fischbach, der Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland - die Masern zurück in Guatemala, wo sie doch eigentlich "dank kluger Gesundheitspolitik" ausgerottet gewesen seien. Daher müsse jetzt endlich in Deutschland (!?!) eine Impfpflicht eingeführt werden... (DÄ 23.01.2018)

Dem unvoreingenommenen und fachkundigen Beobachter stellen sich hier gleich mehrere Fragen:

  • War denn das 17-jährige Mädchen, das offensichtlich gesund genug für einen interkontinentalen Schüleraustausch war, etwa nicht gegen Masern geimpft, obwohl es aus einem Land mit "kluger Gesundheitspolitik" kam? Erste Medienberichte weisen darauf hin... (T-Online 23.01.2018). Oder - horribile dictu - war sie zweimal geimpft und erkrankte trotzdem? Es handelt sich hier ja offensichtlich nicht um die für die Impfpflicht argumentativ üblicherweise instrumentalisierten "jungen Säuglinge, die wir noch nicht selber impfen können" oder "Kinder mit schweren angeborenen Immundefekten, die wir nicht selber impfen können"

  • Dann wären die Schlagzeilen "Wegen Impfverweigerern in Deutschland - Masern zurück in Guatemala" (T-Online) vorsichtig formuliert eine "fake news": es wären dann wohl eher die Eltern der betroffenen Schülerin selber, die entschieden hätten, ihre Tochter (gegen Masern) ungeimpft eine Fernreise antreten zu lassen

  • Wo die Ansteckung tatsächlich stattfand, ist derzeit noch völlig unklar: den zuständigen deutschen Gesundheitsbehörden wurde bisher kein Masernfall gemeldet, bei dem die Schülerin sich in der betroffenen Region hätte anstecken können

  • Wenn die Schülerin denn jetzt als Einzelmasernfall zurück nach Guatemala fliegt - wo ist das Problem, wo doch die stattgehabte "Ausrottung der Masern" jedwede Ausbreitung in diesem Land sicher zuverlässig verhindern wird?

  • Und es muss schon eine sehr kluge Gesundheitspolitik in Guatemala sein, die mit einer Durchimpfungsquote von aktuell 65% für die zweite Masernimpfung (WHO 2017) eine Ausrottung erreicht und aufrecht hält, wo dies in Deutschland mit einer entsprechenden Durchimpfungsquote von 93% (ohne Impfpflicht!) (beide Angaben für 2016) nicht gelingt...

"Tragisch und beschämend" ist - entgegen den Aussagen von Herrn Fischbach - somit keineswegs, dass sich eine offenbar ungeimpfte (oder durch die Masernimpfung nicht geschützte) Schülerin in einem Land mit einer der höchsten Durchimpfungsraten gegen Masern in Europa auf einer Fernreise mit Masern ansteckt - tragisch und beschämend ist die ermüdende Penetranz, mit der Ärztefunktionären offenbar kein Argument zu dumm ist, sich selbst und die derzeit von allen wirklichen Fachleuten (wie z.B. dem Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission, ebenso von seinem Vorgänger, ...)  für nicht zielführend erachtete Impfpflicht in Deutschland immer wieder in den einschlägigen Medien zu positionieren.

Weitere Gedanken zum Thema "Ausrottung der Masern" finden sie hier und hier.

 

Literatur

Deutsches Ärzteblatt online. 23.01.2018. Abruf 24.01.2018

T-Online.de. 23.01.2018. Abruf 24.01.2018

WHO. WHO-Unicef estimates of MCV2 coverage. Abruf 24.01.2018